Heidelberg ist – je nach Vergleich – eine ziemlich junge bzw. eine ziemlich alte Stadt 😀 In der Region gehört sie eher zu den Spätzündern. Wir reden hier von der Rheinebene, die ab dem 1. Jahrhundert nach der Zeitenwende von den Römern besiedelt wurde. Sie gründeten in dieser Gegend Siedlungen wie Ladenburg, Speyer und Worms, die alle dementsprechend beinahe 2000 Jahre alt sind.
Heidelberg dagegen wurde erstmals im Jahre 1196 urkundlich erwähnt, über 1000 Jahre später. Paradox ist, dass sogar die heutigen Heidelberger Stadtteile Bergheim und Neuenheim schon im 7. Jahrhundert auf Lorscher Urkunden auftauchten, als es Heidelberg noch gar nicht gab. Damals waren sie eigenständige Dörfer, die sich allerdings niemals zu einer Stadt weiterentwickelten.
Heidelberg entstand also nicht aus den bestehenden kleinen Siedlungen in der Nähe, sondern wurde tatsächlich „im grünen Wald“ planmäßig angelegt und vergrößerte sich schnell weiter.
Heidelberg – eine mittelalterliche Planstadt
Am Anfang der Stadt stand wahrscheinlich die Burg. Nicht das Schloss, dessen Ruine heute so bekannt ist, sondern eine ältere Burg, die es heute nicht mehr gibt. Sie befand sich auf der Molkenkur, einem Felsen auf halber Höhe zum Königstuhl (siehe Bild unten) – die Bergbahn hat dort ihre Zwischenstation.
Am Fuß des Berges entstand eine kleine Burgsiedlung im Bereich der heutigen Peterskirche. Das war alles noch sehr beschaulich und urban gesehen eher langweilig. Richtig los ging es dann aber, als diese Burg in den Blickpunkt der Pfalzgrafen bei Rhein fiel.
Diesen Titel trugen zunächst enge Begleiter/Verwandte von Kaiser Friedrich Barbarossa und Friedrich II., also Männern am Puls der Macht. 1214 wurde die Pfalzgrafschaft bei Rhein an die Dynastie der Wittelsbacher übertragen, und unter den Wittelsbachern erlebte Heidelberg seinen richtigen Startschuss – denn sie entschlossen sich, die Heidelberger Burg zu ihrer Hauptresidenz zu machen.
Die vorhandene Burg und das beschauliche Dorf waren dem damaligen Hochadel aber viel zu wenig: Man plante stattdessen eine ganz neue Stadt mit leiterförmigem Aufbau. Das sieht man auf den allerersten Blick auf dem Stadtgrundriss: Der ist kein bisschen chaotisch und „gewachsen“, sondern im Wesentlichen in Längs- und Querstraßen aufgeteilt.
Die „Hauptstraße“ ist eine dieser Längsachsen – sie führte mitten durch die Stadt hindurch und auf der anderen Seite wieder hinaus. Heute ist sie durchgehend eine Fußgängerzone.
Zentral auf der Karte liegen die engen Blöcke ist die erste Bauphase der geplanten Stadt, links oberhalb davon das Heidelberger Schloss. Im Zentrum oben die Molkenkur, wo die frühere Burg stand. Rechts der alten Kernstadt mit größeren Blöcken eine zweite Bauphase mit neu „angebauter“ Stadt. Auch dieser Bereich gehört heute zur Altstadt, die bis zu den Bastionen ganz rechts reicht. Dort befindet sich heute der Bismarckplatz.
Das Heidelberger Schloss
Aber wieder zurück in die Zeit um 1200. Hier musste auch eine neue Burg her, schließlich muss man als königsnaher Fürst auch ein bisschen was zu zeigen haben. So entstand das Heidelberger Schloss mit seinen später angelegten großen Flaniergärten, das mächtig über der neu angelegten Stadt thronte. Das Schloss ist aber nicht um seinetwillen weltberühmt und Motiv zahlreicher Gemälde, sondern weil es so eine malerische Ruine ist 😀
Dazu kam es im Jahre 1693, als Heidelberg im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekriegs von französischen Truppen eingenommen wurden. Die sprengten kurzerhand Schloss und Stadtbefestigungen und steckten die Stadt in Flammen.
Ja, Heidelberg blieb zwar im Zweiten Weltkrieg im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Städten von der Bombardierung verschont, hatte seinen Kriegsschutt-Moment aber eben schon Jahrhunderte vorher. Da blieb kaum ein Stein auf dem anderen, und angesichts der Bauklötzchen-artig herumfliegenden Dächer und Steine (siehe Flugblatt) auch kein Auge trocken.
Was der Trojanische Krieg mit Heidelberg zu tun hat
Wie war es dazu gekommen? Wir machen jetzt einen kurzen Ausflug ganz woanders hin: Blicken wir mal ein wenig weiter zurück, bis nach Griechenland weit in vorchristlicher Zeit. Hier herrschte in Sparta – zumindest nach Homers Ilias – de facto König Agamemnon. Der hatte einen Bruder, Menelaos, und der hatte eine Frau, Helena, die angeblich wunderschön war. Paris, Sohn des Königs von Troja und Teil einer Gesandtschaft seines Vaters in Troja, konnte seine Finger nicht bei sich lassen und brannte mit Helena durch.
Die ganze Truppe kehrte nach Troja zurück und Agamemnon wollte diese Schmach des Frauenraubs nicht auf sich sitzen lassen. Dass zwar eigentlich sein Bruder der Dumme war und nicht er selbst, ist an dieser Stelle eher zweitrangig – wahrscheinlich witterte er auch Reichtümer, Ruhm und Macht. Jedenfalls grub er das Kriegsbeil aus, schipperte mit einer Armada der Gesandtschaft hinterher und siehe da, nur zehn Jahre später musste Troja schließlich brennen.
Was hat das mit Heidelberg zu tun? Gar nicht so unwenig! Auch hier gibt es eine Frau, ein Paris, einen Bruder und einen König. Die Frau war Liselotte von der Pfalz, Tochter des hiesigen Kurfürsten. Sie wurde „quasi nach Paris“ an Philipp von Orléans verheiratet, seines Zeichens Bruder des französischen Königs Ludwig XIV. (auch „Sonnenkönig“ genannt). Das ist der, der Frankreich im 17. Jahrhundert ganz groß rausbrachte und als Status Symbol den Palastkomplex Versailles bei Paris baute.
Jedenfalls, als nun der Kurfürst starb, verlangte Ludwig, dass sein Bruder über Gattin Liselotte das Erbe ihres Vaters erhalte, obwohl das eigentlich ausgeschlossen war. Dass es hier nicht nur um irgendein läppisches Erbe gehen konnte, sondern eher um handfeste gesamteuropäische Machtpolitik, ist da nicht so wichtig. Ein guter Vorwand reicht schließlich, um einen Krieg vom Zaun zu brechen: Und da hatten wir ihn, den Pfälzischen Erbfolgekrieg.
Am Ende brannte nicht nur Heidelberg und das Schloss, sondern im übertragenden Sinne vor allem die gesamte linksrheinische Region. Ludwig jedenfalls ließ zu diesem freudigen Anlass extra eine Medaille prägen, auf der unter dem Schriftzug Heidelberga deleta („das zerstörte Heidelberg“) die Stadt anschaulich brennt und raucht.
Heidelberger Schlossbeleuchtung
Daran erinnert übrigens auch dreimal im Jahr die Heidelberger Schlossbeleuchtung (zu den Terminen siehe hier). Das ist ein bescheidener Begriff für ein tolles Lichtspektakel mit anschließendem riesigen Feuerwerk. Auch da bleibt kein Stein auf dem anderen: Die gesamte Stadt Altstadt wird über ein paar Stunden für Fahrzeuge gesperrt und Tausende Menschen stehen auf den Straßen. Sehenswert ist es allemal 😀
Besonders die eigentliche Schlossbeleuchtung mit bengalischen Feuern. Nach Einbruch der Dunkelheit wird das Schloss in ein flackerndes, rotes Licht gehüllt. Keine Autos sind zu hören und es herrscht dadurch irgendwie eine gespenstische Stille, während das Schloss zu brennen scheint. Dann versinkt das Schloss in völliger Dunkelheit und auf der Alten Brücke wird ein Feuerwerk abgebrannt, das ich mich auch schon achteinhalb Kilometer weiter entfernt hinter Hügeln und Wäldern in meinem Arbeitszimmer aufhorchen ließ.